Die Herausforderung vieler Hundehalter
Viele Hundehalter kennen es: Da ist dieses eine Problem mit dem Hund, das schon lange besteht. Vielleicht ist es die ständige Leinenaggression, das Bellen bei jeder kleinen Bewegung oder das Ziehen an der Leine. So viele Menschen wünschen sich eine Lösung, doch gleichzeitig scheint es, als würden sie nicht wirklich handeln, um etwas zu ändern. Aber warum ist das so? Was hindert uns daran, aus diesen Situationen herauszukommen? Es lohnt sich, einen Blick auf die tiefer liegenden Mechanismen zu werfen.
Das Problem der Komfortzone verstehen
Ein Beispiel aus der Praxis: Stellen wir uns einen Hundehalter vor, dessen Hund bei jeder Hundebegegnung an der Leine aggressiv reagiert. Diese Situationen sind stressig, aber sie sind auch bekannt und vorhersehbar. Der Halter weiß genau, was passiert, wenn er einem anderen Hund begegnet, und hat eine eingespielte Routine entwickelt, um damit umzugehen – auch wenn das bedeutet, die Straßenseite zu wechseln oder den Hund festzuhalten. Die Vorstellung, dass sich dieses Verhalten ändern könnte, bringt Unsicherheit mit sich: Was, wenn die neue Methode nicht funktioniert? Was, wenn es sogar schlimmer wird? Diese Unsicherheit führt oft dazu, dass man lieber im alten, vertrauten Muster bleibt.
Ein zentraler Punkt ist die sogenannte Komfortzone. Auch wenn das Problem mit dem Hund oft belastend ist, hat es doch etwas Bekanntes und dadurch auch etwas Sicheres. Menschen fühlen sich eher wohl in einer Situation, die sie bereits kennen, auch wenn sie unangenehm ist, als sich auf Neues einzulassen, das vielleicht unsicher oder gar riskant erscheint. Eine Veränderung würde bedeuten, dass man sich auf das Unbekannte einlässt – und das kann Angst machen. Was, wenn das Training nicht funktioniert? Was, wenn der Hund am Ende noch schwieriger wird? Diese Fragen können Menschen davon abhalten, überhaupt einen ersten Schritt zu wagen.
Praktischer Tipp: Beginne mit kleinen Veränderungen. Anstatt direkt ein großes Problem anzugehen, könntest du beispielsweise mit einer kleinen Verhaltensänderung starten, die weniger stressig ist. Das hilft dir, positive Erfahrungen zu sammeln und dich langsam aus der Komfortzone zu bewegen. Ein Beispiel hierfür wäre, mit dem Hund zu üben, ruhig an einem anderen Hund vorbeizugehen, aber mit ausreichendem Abstand, sodass der Stress gering bleibt. Über Zeit kann dieser Abstand immer weiter verringert werden.
Auf psychologischer Ebene spielt hier das Prinzip der kognitiven Dissonanz eine Rolle. Menschen versuchen, unangenehme Spannungen zwischen ihren Überzeugungen und ihrem Verhalten zu vermeiden. Wenn ein Hundehalter tief im Inneren glaubt, dass er oder sie das Problem nicht lösen kann oder es zu schwierig ist, entsteht eine Dissonanz, wenn man dennoch versucht, die Situation zu ändern. Diese Dissonanz kann zu einem inneren Konflikt führen, der dazu verleitet, die Situation so zu belassen, wie sie ist, um die unangenehmen Gefühle zu vermeiden. Ein einfaches Beispiel hierfür wäre, wenn ein Hundehalter denkt: 'Ich bin einfach kein guter Hundetrainer.' Dieser Gedanke steht im Widerspruch zum Wunsch, etwas zu ändern. Anstatt sich also auf das Training einzulassen, bleibt der Halter in der gewohnten Situation, weil der Versuch zu trainieren und eventuell zu scheitern diesen inneren Glaubenssatz infrage stellen würde.
Verborgene Belohnungen – Was gewinne ich eigentlich durch mein Problem?
Ein konkretes Beispiel für eine typische versteckte Belohnung könnte sein, dass der Hundehalter durch das Problem des ständigen Bellens des Hundes Aufmerksamkeit von Nachbarn oder Freunden erhält. Diese Aufmerksamkeit, sei es Mitleid oder auch einfach nur das Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen, kann unbewusst als Belohnung wahrgenommen werden. Das Problem dient sozusagen als eine Möglichkeit, soziale Interaktion zu schaffen, die ohne das Problem vielleicht nicht so oft stattfinden würde.
So merkwürdig es klingt: Jedes Problem hat auch eine versteckte Belohnung. Vielleicht bekommt der Hundehalter durch das Problem Aufmerksamkeit von anderen Menschen, vielleicht sogar Mitleid oder Rücksicht. Oder es verstärkt das eigene Ego, weil man sich als das Opfer der Situation sieht – immerhin ist es der Hund, der schwierig ist, nicht man selbst. Auch das Gefühl, die Situation irgendwie unter Kontrolle zu haben, spielt eine Rolle. Die Art, wie der Hundehalter jetzt mit dem Problem umgeht, mag nicht ideal sein, aber sie funktioniert für ihn. Das gibt ein gewisses Maß an Sicherheit, das aufzugeben schwerfallen kann.
Praktischer Tipp: Überlege, welche versteckten Belohnungen du aus dem Verhalten deines Hundes beziehst. Wenn dir bewusst wird, was du vielleicht verlierst, kannst du dich besser darauf vorbereiten, diese Veränderung zu akzeptieren. Ein Beispiel: Stelle dir vor, dein Hund bellt oft, wenn Gäste kommen, und du musst ihn dann beruhigen. Vielleicht erhältst du dadurch mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung von deinen Gästen, die dir helfen wollen. Indem du dir dieser Dynamik bewusst wirst, kannst du dich besser auf die Veränderung vorbereiten und dich davon lösen.
Auf einer tieferen psychologischen Ebene spricht man hier von sekundärem Gewinn. Der sekundäre Gewinn ist der verborgene Vorteil, der aus einem Problem oder einer unangenehmen Situation entsteht. In der Psychologie wird oft betont, dass Menschen dazu neigen, an Problemen festzuhalten, wenn sie dadurch – bewusst oder unbewusst – emotionale oder soziale Vorteile erhalten. Zum Beispiel kann die Rolle des Opfers anderen Menschen gegenüber dazu führen, dass der Hundehalter mehr Unterstützung und Empathie erhält, als es ohne das Problem der Fall wäre. Ein typisches Beispiel hierfür wäre, dass Freunde oder Familienmitglieder regelmäßig Hilfe anbieten oder mehr Zeit mit dem Hundehalter verbringen, weil sie glauben, dass er mit seinem schwierigen Hund überfordert ist. Diese zusätzliche Aufmerksamkeit und Unterstützung kann unbewusst als positiv wahrgenommen werden. Dies macht es schwerer, das Problem loszulassen, da der Verlust dieser Vorteile befürchtet wird.
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Langfristige Erfolge sichern – Nachhaltigkeit der Veränderung
Veränderungen müssen nicht nur in kleinen Schritten begonnen werden, sondern auch nachhaltig gestaltet sein. Hier ist es wichtig, Konsistenz zu betonen. Es reicht nicht aus, nur einmal oder zweimal zu trainieren. Stattdessen sollten die neu erlernten Verhaltensweisen regelmäßig geübt und in den Alltag integriert werden. Ein Beispiel: Wenn dein Hund gelernt hat, ruhig an anderen Hunden vorbeizugehen, dann wiederhole diese Übung immer wieder – auch in unterschiedlichen Situationen, an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Ablenkungen. Dadurch wird das neue Verhalten gefestigt und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es langfristig bestehen bleibt.
Praktischer Tipp: Setze dir nicht nur kurzfristige Ziele, sondern plane auch, wie du die neuen Verhaltensweisen langfristig in den Alltag integrieren kannst. Zum Beispiel könntest du eine Routine entwickeln, in der du jeden Morgen eine kurze Trainingseinheit einbaust. Regelmäßigkeit schafft Sicherheit und festigt das Gelernte.
Ein hilfreiches Konzept ist das der Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit bedeutet, daran zu glauben, dass man in der Lage ist, durch das eigene Verhalten bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Kleine Schritte und realistische Ziele helfen dabei, positive Erfahrungen zu sammeln und das Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Veränderung zu stärken. Zum Beispiel könnte ein Hundehalter sich vornehmen, jeden Tag bewusst fünf Minuten mit seinem Hund zu trainieren, um ein einfaches Kommando wie 'Sitz' zu üben. Der Erfolg, den Hund in diesen fünf Minuten zum Erfolg zu führen, stärkt das Gefühl, dass man in der Lage ist, Veränderungen zu bewirken.
Ein tieferer Einblick in die Perspektive des Hundes.
Ein tieferes Verständnis für die Perspektive des Hundes kann dabei helfen, die beschriebenen Argumente noch stärker zu untermauern. Hunde verstehen die Welt anders als Menschen. Oft reagieren sie auf Stress, Angst oder Unsicherheit mit Verhaltensweisen, die für uns Menschen problematisch erscheinen. Wenn der Hund an der Leine zieht oder bellt, tut er das oft aus Unsicherheit oder aus einem Schutzbedürfnis heraus. Versuche dir vorzustellen, wie sich dein Hund fühlt, wenn er immer wieder in stressige Situationen gebracht wird – etwa beim Begegnungstraining ohne ausreichenden Abstand. Solche Situationen können für den Hund äußerst belastend sein und er reagiert möglicherweise aus einem Gefühl der Hilflosigkeit heraus.
Praktischer Tipp: Versuche, das Verhalten deines Hundes aus seiner Perspektive zu betrachten. Frage dich, warum dein Hund in bestimmten Situationen so reagiert, wie er es tut. Wenn dein Hund zum Beispiel bei Hundebegegnungen bellt, könnte das daran liegen, dass er sich bedroht fühlt. Indem du verstehst, was in deinem Hund vorgeht, kannst du besser darauf eingehen und ihn unterstützen, anstatt frustriert zu reagieren. Vielleicht bedeutet das, zunächst mehr Abstand zu halten und langsam daran zu arbeiten, die Distanz zu verringern, bis dein Hund sich wohler fühlt.
Am Ende lohnt es sich, diese Reise zu wagen. Nicht nur, um das Verhalten des Hundes zu verbessern, sondern auch, um die Beziehung zwischen Mensch und Hund auf eine tiefere, harmonischere Ebene zu bringen. Das Vertrauen, das dabei entsteht, ist unbezahlbar – und der gemeinsame Weg, den man geht, wird umso schöner.